Schiedsgutachten - Schiedsgutachter beziehen Stellung zum Sachverhalt

Wachsende Komplexität von technischen Systemen und ungenügende Entwickler- und Anwenderqualifikationen einerseits, aber auch zu frühe Produktvermarktungen andererseits, führen im realen Systemeinsatz zu Komplikationen, die die prinzipiell erzielbaren positiven Eigenschaften von technischen Systemen zunichtemachen. Ist dann schließlich anwenderseitig offenkundig, dass diese Mängel system- und nicht schulungsbedingt sind, ist aufgrund des mittlerweile zerstörten Vertrauensverhältnisses zwischen Technikanbieter und Technikanwender eine Klärung des Sachverhaltes durch neutrale und sachkundige Dritte unumgänglich.

Ob dieses aber über den heute durch die geschädigten Anwender immer häufiger eingeschlagenen Weg über die ordentlichen Gerichte geschehen kann, ist vorher sorgfältig zu prüfen.

Das Schiedsgutachten als Tatsachenfeststellung

Das Schiedsgutachten ist die Stellungnahme eines unabhängigen, unparteiischen und sachverständigen Dritten zu einem zwischen den Parteien umstrittenen Sachverhalt. Die Parteien erhalten eine verbindliche Klärung ihrer bei Vertragsdurchführung entstandenen Streitfrage und vermeiden den Gang zu Gericht. Wird später dennoch ein Gericht angerufen, ist dieses an die im Schiedsgutachten getroffene Tatsachenfeststellung, außer bei grober Unrichtigkeit, gebunden.

Im Gegensatz zum Schiedsgericht, das über einen entstandenen Rechtsstreit an Stelle eines staatlichen Gerichts entscheidet, stellt der Schiedsgutachter nur Umstände fest, ohne über die sich daraus ergebenden Verpflichtungen der Parteien zu befinden und Rechtsfolgen zu treffen.

Der Sachverständige ist in einem Schiedsgutachten nur an die übereinstimmenden Weisungen der Parteien gebunden. Er darf einseitige Wünsche der Parteien nicht berücksichtigen.

Das Verfahren der definierten Auseinandersetzung

Während Privatgutachten und Gerichtsgutachten nur eine Entscheidungshilfe für das Gericht oder die Parteien sind, ist im Schiedsgutachten von Anfang an das Verhältnis der Parteien in einer definierten Auseinandersetzung verbindlich festgelegt.

Dieses Verfahren setzt allerdings ein hohes Vertrauen in die Integrität und Sachkunde der dritten Person voraus. Sie wird auch nur dann erwogen werden können, wenn die Parteien untereinander ein gutes Verhältnis zueinander haben und ihre Beziehungen nicht durch den aufgetretenen Streit belasten möchten. Leider wird diese Möglichkeit der außergerichtlichen Streitbeilegung nur selten genutzt, obwohl sie hinsichtlich Zeit, Kosten und Wahrung der guten Beziehungen auch für die Zukunft eine große Chance darstellt. Im internationalen Geschäft, insbesondere in den USA, kommen diese Grundgedanken unter dem Begriff der "Mediation" in der letzten Zeit wieder in Mode.

Die Parteien können schon bei Vertragsschluss eine Schiedsgutachtenabrede treffen, indem sie vereinbaren, dass für den Fall der Entstehung von Meinungsverschiedenheiten bei der Durchführung ihres Vertrages ein für beide Parteien verbindliches Schiedsgutachten zur Entscheidung des streitigen Sachverhalts eingeholt werden soll. Sie können aber auch erst im Streitfall die Einschaltung eines Schiedsgutachters vereinbaren.

Die Parteien einigen sich auf einen bestimmten Schiedsgutachter oder lassen sich von einer neutralen Stelle einen Schiedsgutachter benennen. Sie teilen ihm den zu beurteilenden Untersuchungsgegenstand mit und beauftragen ihn gemeinschaftlich mit der Erstellung des Schiedsgutachtens. Man muss die Schiedsgutachtenabrede vom Schiedsgutachtervertrag unterscheiden. Dieser wird zwischen den Parteien einerseits und dem Sachverständigen andererseits getroffen. Er verpflichtet den Sachverständigen, das Gutachten zu erstellen. Dieser muss das Schiedsgutachten persönlich ausführen.
Er kann allerdings auch Hilfskräfte einsetzen, sofern er diese überwacht und die Verantwortung für sie übernimmt.